Medizinisches Cannabis zur Behandlung von ADHS
Immer wieder stehen Menschen mit ADHS vor der Herausforderung, ihre Aufmerksamkeit zu bündeln und impulsives Verhalten zu kontrollieren. Ein Blick auf innovative Ansätze in der Therapie von Aufmerksamkeitsstörungen öffnet Möglichkeiten, wie Individuen in ihrem Alltag unterstützt werden können.
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) – Ein Blick auf die Erkrankung
Das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) betrifft ungefähr 5 % der Kinder und Jugendlichen sowie etwa 3 % der Erwachsenen und gehört zu den häufigsten neurobiologischen Entwicklungsstörungen. Beginnend meist in der Kindheit, begleitet ADHS die Betroffenen oft bis ins Erwachsenenalter. Die Bandbreite der Ausprägungen dieser psychischen Herausforderung ist vielfältig und zeigt sich in verschiedenen Lebensbereichen. Die Diagnose erfolgt, wenn vergleichbare Anzeichen über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr bestehen und das soziale Gefüge merklich beeinflussen. Diese facettenreiche Störung kristallisiert sich oft in drei charakteristischen Verhaltensmustern (bekannt als Kernsymptome) heraus: Unaufmerksamkeit, übermäßige Aktivität und impulsives Verhalten. ADHS geht häufig einher mit anderen psychischen Erkrankungen wie Autismus-Spektrum-Störungen oder dem Tourette-Syndrom. Die Probleme treten in der Regel vor dem siebten Lebensjahr auf. Die Behandlung beinhaltet Verhaltenstherapie, Beratung für Betroffene und ihre Familien sowie medikamentöse Therapie.
Diagnose – Ein komplexes Bild
Um ADHS zu diagnostizieren, bedarf es eines tiefgreifenden Prozesses, in welchem verschiedene Fachbereiche zusammenkommen. Eine sorgfältige Untersuchung dient dazu, mögliche Ursachen und Begleiterscheinungen zu identifizieren, um somit eine umfassende Diagnose zu erstellen.
Multifokale Therapieansätze
Die Behandlung von ADHS erstreckt sich über verschiedene Ebenen und Ansätze. Hierbei spielen Verhaltenstherapie, Informationsvermittlung und medikamentöse Behandlung eine entscheidende Rolle. Die medikamentöse Behandlung bedient sich einer Vielfalt an Präparaten, um die Symptome zu mildern. Diese Tagestherapien verfolgen das Ziel, eine ausgewogene Balance zwischen Hemmung und Stimulation im Gehirn herzustellen.
Cannabis als innovativer Ansatz
Ein vielversprechender Ansatz bietet die Wirkung der Cannabinoide auf das zentrale Nervensystem. In einer britischen Studie aus dem Jahr 2017, geleitet von Cooper und Kollegen, wurden 30 ADHS-Patienten in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe erhielt über sechs Wochen das Sativex Oromucosal Spray mit einem 1:1-Verhältnis von THC und CBD, während die andere Gruppe ein Placebo erhielt. Die Verumgruppe zeigte signifikante Verbesserungen bei Hyperaktivität und Impulsivität im Vergleich zur Placebogruppe. Es wurde auch eine nicht signifikante Tendenz zur Verbesserung von Unaufmerksamkeit und emotionaler Labilität festgestellt. Die Probanden berichteten von positiven Auswirkungen wie Ruhe und Konzentration, aber auch von sedierenden Effekten.
Andere Studien haben ähnliche Effekte bei Tourette-Syndrom und Autismus-Spektrum-Störung in Verbindung mit ADHS gefunden. Einige ADHS-Patienten konnten durch medizinisches Cannabis ihre herkömmliche Medikation ersetzen und berichteten von einer verbesserten Konzentration und Impulsivität. Weitere Untersuchungen sind jedoch notwendig, um diese Ergebnisse zu bestätigen und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu berücksichtigen.
Ausblick auf die ADHS-Behandlung
Berichte von Patienten mit ADHS deuten auf mögliche positive Auswirkungen von medizinischem Cannabis hin, insbesondere im Hinblick auf Hyperaktivität und Impulsivität. In Anbetracht des Bedarfs nach Therapieoptionen mit geringeren Nebenwirkungen erscheint dies bedeutsam. Einige Studien weisen darauf hin, dass bei Cannabiskonsum eine Verschlechterung der ADHS-Symptome auftreten kann, vor allem im Kontext von Substanzmissbrauch. Die Grenzen zwischen eigenverantwortlicher Selbstmedikation und missbräuchlichem Konsum sind jedoch fließend. Eine fundierte ADHS-Diagnose ist von wesentlicher Bedeutung. Falls eine Behandlung mit medizinischem Cannabis in Erwägung gezogen wird, wäre eine regelmäßige Überwachung der Verträglichkeit und der kognitiven Funktionen ratsam. Schwangere sollten den Konsum von Cannabis jedoch vermeiden. Auch sollte beachtet werden, dass sich die meisten vorliegenden Studien auf Jugendliche und Erwachsene konzentrierten, während Daten zur Anwendung bei Kindern bisher fehlen.
Quellen
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Cooper, R. E., Williams, E., Seegobin, S., Tye, C., Kuntsi, J., Asherson, P. Cannabinoids in attention-deficit/hyperactivity disorder: A randomised-controlled trial. Eur Neuropsychopharmacol 2017, 27(8), 795-808
Strohbeck-Kühner, P., Skopp, G., Mattern, R. Cannabis verbessert Symptome der ADHS. Cannabinoids 2008, 3(1):1-4 (deutschsprachige Fassung)
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